Back to my roots – oder: Schuster, bleib doch bei deinen Leisten! [Metamorphosen]

Unsere Reihe Metamorphosen behandelt Lebens(abschnitts-)wege, die nicht ganz linear verlaufen. Quer-Ein/Aus/Um-Steiger (vor allem aus der Medienbranche) zeigen, dass es spannender geht als vierzig Jahre dasselbe zu machen.

Andre-PleintingerWie hat alles angefangen? Nun ja. Bei mir schon vor etwas längerer Zeit. Um genau zu sein im Jahre 2005 – nämlich mit einem Volontariat im geisteswissenschaftlichen Fachverlag Martin Meidenbauer. Ich unterbrach mein Germanistik- und Politikwissenschaftsstudium im beschaulichen Regensburg, um die Verlagsstadt München zu erobern! Gleich vorweg: Es war die richtige Entscheidung, mein Studium zu diesem Zweck auszusetzen.
Ich erlernte also das „Verlagshandwerk“ in einem sehr überschaubaren Team und begleitete von Anfang an Buchprojekte durch Lektorat und Herstellung. Ebenso war ich für die Kommunikation mit den Herausgebern und Autoren verantwortlich. Aber von wegen Texte redigieren und Korrekturlesen im stillen Kämmerlein! Schon damals war mehr der Projektmanager in mir gefragt. Früh übt sich! Das war übrigens die Zeit, wo sich Verlagsgranden und graue Eminenzen auf den Abendveranstaltungen der Buchmessen die Klinke in die Hand gaben. Dementsprechend war das Thema Digitalisierung in der Buchbranche noch eher ein Randthema.
Nach Beendigung meines ach so glorreichen geisteswissenschaftlichen Studiums mit leicht wirtschaftlichem Einschlag (ja, ein Semester Business Communication im Ausland war auch dabei) war ich offiziell bereit für den beruflichen Einstieg in die Verlagswelt… Denkste! Erst einmal überraschte mich mein Boss mit dem Plan, eine Online-Fitness-Community als zweites Standbein für den Verlag aufzubauen. Na gut, wenn’s sein muss… Nicht gerade überzeugt vom Konzept, aber dennoch voller Elan machte ich mich an Online-Redaktion und Community-Management des Portals. Tatsächlich war das mein erster Berührungspunkt mit der digitalen Welt von studiVZ und Facebook. Und das im zarten Alter von 28 Jahren! Nicht gerade das, was man einen Digital Native nennt… Im Nachhinein: Etwas Besseres hätte mir zu diesem Zeitpunkt nicht passieren können, um mir selbst Web 2.0-Know-How anzueignen und mich gleichzeitig auf die Umwälzungen innerhalb der Buchbranche vorzubereiten.
Die Fitness-Community war leider nicht von Erfolg gekrönt, also wechselte ich alsbald in den klassischen Verlagsbereich zurück. Nachdem ich dann kurze Zeit Lektorat und Herstellung geleitet habe, wurde ich zum Programmleiter berufen. Das hört sich wahnsinnig aufregend an! Ist es auch, wenn man Freude am Leben eines Faktotums hat. Und das hatte und habe ich. Von der Akquise neuer Autoren, Vertragsverhandlungen, Buchkalkulationen, Online-Marketing, Social Media-Kampagnen, eBook-Vertrieb, Website-Relaunch bis zu neuen Geschäftsmodellen wie Print-on-Demand… Das alles landete auf dem eigenen Schreibtisch und das meist mehrmals pro Tag. Spätestens hier merkte ich, dass Social Skills wie Flexibilität, Belastbarkeit, lebenslange Lernbereitschaft und eine schnelle Auffassungsgabe keine leeren Worthülsen im Verlagsgeschäft sind. Eine geile Zeit, in der die jungen Wilden in den Verlagen durchstarteten. Die komplette Kommunikation änderte sich! Die Branche begann sich zu vernetzen, sich gegenseitig zu unterstützen, die Geheimniskrämerei und das Konkurrenzdenken ad acta zu legen; ich war ein Teil davon!
Ende 2011 ging das Programm des Martin Meidenbauer Verlags im Peter Lang Verlag auf. Ein schwerer Abschied – den Verlag hatte ich ein gutes Stück weit mit aufgebaut. Aber was soll’s! Wie heißt es so schön: Hinfallen – Aufstehen – Krone richten – Weitergehen. Und so landete ich wieder an der Uni, aber dieses Mal auf der anderen Seite des Pults. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Buchwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg dozierte ich über Typografische Grundlagen, Desktop Publishing, Buchwirtschaft und Eventmanagement (Faktotum, 2. Teil). Nebenbei schrie ein neuer Masterstudiengang im Bereich elektronisches Publizieren und digitale Märkte nach Verwirklichung. Eine spannende Zeit, in der ich meine in der Praxis erworbenen Kenntnisse theoretisch unterfüttern konnte. Eine Zeit, die ich besonders wegen der Arbeit mit den Studierenden nicht missen möchte.
Aber da! Plötzlich eine Chance, etwas Neues, etwas Anderes, etwas außerhalb der Buchbranche kennenzulernen. Und das in meinem Alter! Ich wechselte in die Welt des schnöden Lobbyismus, um mich in der Öffentlichkeitsarbeit eines Verbandes zu versuchen. Energiepolitik und Emissionshandel sollten künftig meine Themen sein. Jetzt aufgepasst: Wer glaubt, dass Börsenverein, Verlage und Co. ein einziger konservativer Haufen seien, sollte sich nur einmal in eine Energie-Ausschusssitzung des Hauses der Bayerischen Wirtschaft setzen. Kurz und gut: Mein Ausflug in die Verbandswelt war von kurzer Dauer. Mir fehlte mein Netzwerk, mir fehlten die üblichen Verdächtigen, die man jedes Jahr wieder in Frankfurt und Leipzig trifft, mir fehlte die Arbeit im Verlag.
Zunächst folgte eine Weiterbildung zum Presse- und Öffentlichkeitsreferenten an der Journalistenakademie München – mit einer Truppe, die es verstand, mein lädiertes Selbstbewusstsein wieder aufzubauen. (Dankeschön an dieser Stelle an mein großartiges Team und die Mannschaft der Journalistenakademie! Sorry Leute, aber so viel Zeit muss sein).
Dann – nach viel zu langer Abstinenz – das Comeback in der Verlagswelt! Der Riese Elsevier ruft und ich folge dem Ruf. Aktuell befinde ich mich in der dritten Woche als Content Manager im Team Content Clinical Solutions. Ja genau, willkommen in einem internationalen Unternehmen! Englisches Neudeutsch gehört hier zum guten Ton. Ich habe mich immer gefragt: „Konzern. Kann ich das?“ Bis jetzt kann ich fröhlichen Gemüts sagen: „Ja, das kann ich!“ Spannende Aufgaben und Projekte, entspannte Atmosphäre und Kollegen, intensive Einarbeitungsphase mit einem Mentor, volle Integration und Anerkennung durch einen tollen Chef. Was will man mehr? Ich habe das Gefühl, dass meine Expertise gefragt ist und dass man mir aufmerksam zuhört. Für jetzt, so scheint es, bin ich angekommen.

Fazit: Bleibt offen für Neues, verschließt Euch vor nichts, nehmt auch schlechte Erfahrungen an und lernt daraus und vor allem: Netzwerkt und kommuniziert miteinander! So profitieren und lernen wir alle voneinander. Frei nach dem Motto des Elsevier Verlags: Non solus!

André Pleintinger hat Germanistik, Politikwissenschaft, Indogermanische Sprachwissenschaft und Business Communication studiert. Er begann seine berufliche Karriere als Volontär beim Martin Meidenbauer Verlag, arbeitete als Online-Redakteur einer Fitness-Community, als Lektor und Hersteller und Programmleiter bei Meidenbauer sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Buchwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg. Nach einem Ausflug als Referent für Energiepolitik in die Öffentlichkeitsarbeit eines Verbands kehrte er in die geliebte Verlagsbranche zurück. Er arbeitet heute als Content Strategist beim STM-Verlag Elsevier in München.

Ein ganz normales Silvester 2023? [Halbadventskalender]

Herzlichen Dank an André Pleintinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Buchwissenschaft an der FAU Erlangen-Nürnberg, der sich anlässlich unseres halben Adventskalenders Gedanken über Silvester im Jahr 2023 gemacht hat.

Sara Hegewald / pixelio.de

Die Stimmung steigt! Schön, alte Freunde wiederzusehen. Ich bin gerade auf einer Silvesterparty in Asunción, Paraguay. Alle sind da: Ramón, Esther, Giancarlo, Juan, Reggie … Ein richtiges „Klassentreffen“ aus meiner Zeit als Praktikant am Goethe-Institut in Rothenburg ob der Tauber, 2004 war das. Wir singen die alten Lieder, mein mexikanischer Freund klampft auf seiner Gitarre dazu, der Tequila darf natürlich nicht fehlen. Ich seh auf die Uhr, verdammt, nun aber weiter! Ein kurzer Abstecher zu den alten Kollegen im Verlag dürfte auf alle Fälle noch drin sein. Was für ein Kontrastprogramm! Glühwein, warmer Leberkäse, Plätzchen und Mandarinen. Aus dem „CD-Player“ schallt es noch recht weihnachtlich: Chris Rea und George Michael lassen grüßen. Wir lachen über die alten Anekdoten, als wir noch Print-Bücher gemacht haben. Schöne alte Welt! So, jetzt aber ab nach Regensburg, den Silvesterabend ausklingen lassen. Natürlich mit den ehemaligen Kommilitonen Steffi, Tanja, Martin, Mike, Rainer … Ich kann sie gar nicht alle zählen. Auch der Anhang ist inzwischen dabei, wie schön! In der No 7 Bar brennt die Luft! Der gleiche DJ wie vor einer halben Ewigkeit, die Red Hot Chili Peppers waren 2003 schon nicht zu schlagen! Wir liegen uns alle in den Armen und verabschieden uns zu „Easy“ von Faith No More, so muss ein gelungener Silvesterabend enden.

Zeit zu gehen: Ich nehme meine Hologramm-Brille (Silvester-Special bei Amazon!) vom Kopf, gehe zum Kühlschrank und mache mir ein letztes Augustiner auf – kühl, flüssig, echt. Auch haptisch liegt die Flasche gut in der Hand. Meine Frau öffnet die Augen und lächelt mich an, sie hat den Jahreswechsel in Argentinien verbracht. Zusammen genießen wir die realen Stunden auf der Couch und erzählen uns von unseren Erlebnissen und unseren Bekannten. Silvester 2024 feiern wir mal wieder zusammen, beschließen wir.