Ein Blick über den Tellerrand [Metamorphosen]

Unsere Reihe Metamorphosen behandelt Lebens(abschnitts-)wege, die nicht ganz linear verlaufen. Quer-Ein/Aus/Um-Steiger (vor allem aus der Medienbranche) zeigen, dass es spannender geht als vierzig Jahre dasselbe zu machen.

Vertriebler. Das sind knallharte Jungs. So wie Leonardo DiCaprio als Wolf of Wall Street. Man sieht den Spaß am Verkaufen und den Nervenkitzel nie zu wissen, wie der Kunde reagiert oder was der nächste Augenblick einem bringt. Genau diese Magie hat mich in ihren Bann gezogen. Momentan sehe ich mich zwar noch nicht als knallharte Verkäuferin. Aber ich denke mir, man kann alles lernen. Es darf einem nur nicht langweilig werden. Doch stop, lieber alles der Reihe nach …

Als Buchwissenschafts-Erstsemestler in Erlangen hatte ich noch den großen Traum vom Lektorat. Von tollen spannenden Geschichten, in die man eintauchen kann. Aber dann veränderte sich durch jedes Praktikum, durch jeden Nebenjob mein Berufswunsch ein kleines bisschen mehr. Ich wollte keine Geschichten mehr schaffen. Ich wollte die fertigen Bücher unter die Leute bringen; Menschen damit glücklich machen; ihnen das Gefühl geben, genau das Passende für sich gefunden zu haben.

Kein Wunder, dass ich mich freute, als ich direkt im Anschluss an meinen Bachelor die Stelle als Vertriebsvolontärin in der Münchner Verlagsgruppe bekam. Das große „A“ wurde mir als Schwerpunkt meiner Tätigkeiten genannt. Und dass der Kunde wirklich meine meiste Zeit in Anspruch nehmen sollte, merkte ich schnell: Ich bekam einen umfassenden Einblick in Logistik, Verkaufspräsentationen, Verhandlungen, Auswertungen, Produktplatzierungen, Datenoptimierung und Marketingaktionen. Jeder Tag war eine neue Challenge. Jeden Tag checkte ich die Bestände und verfolgte freudig die Verkaufszahlen nach Presseterminen etc. Ich genoß viel Vertrauen und durfte recht schnell eigenständig und selbstverantwortlich arbeiten. Das hat mich nicht nur vertrieblich, sondern auch persönlich gefordert und – wie ich denke – weitergebracht. Es war eine wirklich sehr lehrreiche Zeit (Danke liebe Sigrid!). Jedoch habe ich auch gemerkt, dass es wohl noch nicht alles gewesen sein kann. Ich hatte keine Lust mehr jeden Tag zwei bis drei Stunden zur Arbeit zu pendeln und abhängig von Bahnstreiks, Unwetter etc. zu sein. Ich hatte auch Lust etwas komplett Neues auszuprobieren: Neue Produkte, neue Kunden, neue Märkte. Nur eins war für mich klar, ich wollte im Vertrieb bleiben. So machte ich mich gegen Ende meines Volontariats auf die Suche nach weiteren Herausforderungen …

… die ich dann auch schon sehr bald bei Suxxeed fand. Hier vertreibe ich keine Bücher mehr, sondern arbeite im Telekommunikationsbereich. Ich kämpfe jeden Tag nicht mehr nur mit dem Problemen von einem großen Kunden, sondern habe genau das, was ich wollte: andere Produkte, viele unterschiedliche Kunden und einen für mich komplett unbekannten Markt. Ich habe manchmal das Gefühl, es gibt dort 1000 verschiedene Akteure und ich muss erst schauen, wo mein Platz ist und muss diesen dann auch auf Dauer behaupten.

Ich bin gespannt, wie mein Leben weitergeht. Was ich aber auf keinen Fall bereue ist, dass ich mich auf etwas Neues eingelassen habe. Sofort ab meinem ersten Tag habe ich mich in meinem Team wohlgefühlt. Meine Kollegen haben mich offen und herzlich empfangen. Ich habe irgendwie gemerkt, dass wir alle etwas gemeinsam haben. Das ist Kampfgeist, Teamspirit, Offenheit und vor allem Spaß daran, mit Menschen zu sprechen und zu arbeiten. Natürlich ist es auch wichtig, dass man von seinem Produkt begeistert ist und sich damit identifizieren kann, aber am Schluss, denke ich, zählt die Freude an der Arbeit, auf die es ankommt, und die habe ich nicht nur in der Buchbranche gefunden. 🙂

Veronika Geis hat nach ihrem Abitur Buchwissenschaft und Germanistik an der FAU Erlangen studiert. Mit einem Volontariat bei der Münchner Verlagsgruppe GmbH stieg sie ins Berufsleben ein. Heute lebt sie in Nürnberg und arbeitet beim Vertriebsdienstleister Suxxeed GmbH als Junior Account Manager. [Xing] [Facebook]

Von Büchern zu Feinkost [Metamorphosen]

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Das Team (v. li. n. re.): Michael Köhr, Anna-Christina Köhr, Eva–Maria Sickinger
Das Team (v. li. n. re.): Michael Köhr, Anna-Christina Köhr, Eva–Maria Sickinger

Nach meiner Zeit beim Esslinger Verlag  und  insgesamt  über 15 Jahren in der Buchbranche hatte ich tatsächlich große Lust, mal etwas anderes zu machen. So kam´s auch zum Job in einem schwäbischen Feinkostladen. Zurück zu den Wurzeln, denn  im Verkauf bin ich ja groß geworden, Schön war´s, mal wieder so nah dran am Geschehen zu sein, der direkte Kontakt mit Kunden – ich liebe es und natürlich war der Job eine tolle Inspiration.

Als gebürtige Pfälzerin mit familärem „Weinhintergrund“ entstand dann im letzten Jahr die Idee, die Genussregion Pfalz zum Thema eines Ladens zu machen und dazu schöne Landhausaccessoires zu verkaufen. Den Kontakt zu den meist kleinen Produzenten suchten wir über Bauernmärkte in der Region. Die Familien-Wochenendausflüge führten nun zu Winzern und Herstellern in der Pfalz. Die Ginprobe bei einer kleinen Hinterhof-Destille war besonders lustig.

Und die Bücher?  Auch Pfalzkrimis gehören zum Repertoire von „Annas Landpartie“. Die erste Krimilesung mit Weinverkostung ist für Herbst geplant. Hier kann ich meine Erfahrung aus dem „Rabe Socke – Verlagsmarketing“ gut einbringen.

Im Laden haben wir möglichst viel selbst gebaut, denn wir wollten zum einen die Investitionen klein halten, aber auch eine sehr persönliche Atmosphäre schaffen. Also standen mein „Baba“ und die ganze Familie die Weihnachtsfeiertage im Laden und haben Paletten und Dielen zu Tischen gesägt.

Nun, ein knappes halbes Jahr später, geht mir immer noch jeden Tag das Herz auf, wenn Kunden kommen und sagen “ist das schön bei Ihnen“ und „das hat in Landau noch gefehlt“. Mein Lädchen ist gut angelaufen und auch die Buchführung habe ich inzwischen im Griff. Die 1.000 Sorgen vor der Eröffnung sind weggewischt und ich bin sehr glücklich mit meiner Entscheidung.

Anna–Christina Köhr hat nach einer Buchhändlerlehre in Landau in der Pfalz als Abteilungsleiterin bei Buchkaiser in Karlsruhe gearbeitet. Nach Marketingweiterbildung und Volontariat bei der UTB wechselte sie als Pressesprecherin zum Esslinger Verlag und  jobbte anschließend in einem schwäbischen Spezialitätenladen. Heute ist sie Inhaberin und Namensgeberin von einem Feinkostgeschäft „Annas Landpartie“ (Website, Facebook).

Fotocredit Beitragsbild (ganz oben): Roberto Verzo via Flickr cc

Back to my roots – oder: Schuster, bleib doch bei deinen Leisten! [Metamorphosen]

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Andre-PleintingerWie hat alles angefangen? Nun ja. Bei mir schon vor etwas längerer Zeit. Um genau zu sein im Jahre 2005 – nämlich mit einem Volontariat im geisteswissenschaftlichen Fachverlag Martin Meidenbauer. Ich unterbrach mein Germanistik- und Politikwissenschaftsstudium im beschaulichen Regensburg, um die Verlagsstadt München zu erobern! Gleich vorweg: Es war die richtige Entscheidung, mein Studium zu diesem Zweck auszusetzen.
Ich erlernte also das „Verlagshandwerk“ in einem sehr überschaubaren Team und begleitete von Anfang an Buchprojekte durch Lektorat und Herstellung. Ebenso war ich für die Kommunikation mit den Herausgebern und Autoren verantwortlich. Aber von wegen Texte redigieren und Korrekturlesen im stillen Kämmerlein! Schon damals war mehr der Projektmanager in mir gefragt. Früh übt sich! Das war übrigens die Zeit, wo sich Verlagsgranden und graue Eminenzen auf den Abendveranstaltungen der Buchmessen die Klinke in die Hand gaben. Dementsprechend war das Thema Digitalisierung in der Buchbranche noch eher ein Randthema.
Nach Beendigung meines ach so glorreichen geisteswissenschaftlichen Studiums mit leicht wirtschaftlichem Einschlag (ja, ein Semester Business Communication im Ausland war auch dabei) war ich offiziell bereit für den beruflichen Einstieg in die Verlagswelt… Denkste! Erst einmal überraschte mich mein Boss mit dem Plan, eine Online-Fitness-Community als zweites Standbein für den Verlag aufzubauen. Na gut, wenn’s sein muss… Nicht gerade überzeugt vom Konzept, aber dennoch voller Elan machte ich mich an Online-Redaktion und Community-Management des Portals. Tatsächlich war das mein erster Berührungspunkt mit der digitalen Welt von studiVZ und Facebook. Und das im zarten Alter von 28 Jahren! Nicht gerade das, was man einen Digital Native nennt… Im Nachhinein: Etwas Besseres hätte mir zu diesem Zeitpunkt nicht passieren können, um mir selbst Web 2.0-Know-How anzueignen und mich gleichzeitig auf die Umwälzungen innerhalb der Buchbranche vorzubereiten.
Die Fitness-Community war leider nicht von Erfolg gekrönt, also wechselte ich alsbald in den klassischen Verlagsbereich zurück. Nachdem ich dann kurze Zeit Lektorat und Herstellung geleitet habe, wurde ich zum Programmleiter berufen. Das hört sich wahnsinnig aufregend an! Ist es auch, wenn man Freude am Leben eines Faktotums hat. Und das hatte und habe ich. Von der Akquise neuer Autoren, Vertragsverhandlungen, Buchkalkulationen, Online-Marketing, Social Media-Kampagnen, eBook-Vertrieb, Website-Relaunch bis zu neuen Geschäftsmodellen wie Print-on-Demand… Das alles landete auf dem eigenen Schreibtisch und das meist mehrmals pro Tag. Spätestens hier merkte ich, dass Social Skills wie Flexibilität, Belastbarkeit, lebenslange Lernbereitschaft und eine schnelle Auffassungsgabe keine leeren Worthülsen im Verlagsgeschäft sind. Eine geile Zeit, in der die jungen Wilden in den Verlagen durchstarteten. Die komplette Kommunikation änderte sich! Die Branche begann sich zu vernetzen, sich gegenseitig zu unterstützen, die Geheimniskrämerei und das Konkurrenzdenken ad acta zu legen; ich war ein Teil davon!
Ende 2011 ging das Programm des Martin Meidenbauer Verlags im Peter Lang Verlag auf. Ein schwerer Abschied – den Verlag hatte ich ein gutes Stück weit mit aufgebaut. Aber was soll’s! Wie heißt es so schön: Hinfallen – Aufstehen – Krone richten – Weitergehen. Und so landete ich wieder an der Uni, aber dieses Mal auf der anderen Seite des Pults. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Buchwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg dozierte ich über Typografische Grundlagen, Desktop Publishing, Buchwirtschaft und Eventmanagement (Faktotum, 2. Teil). Nebenbei schrie ein neuer Masterstudiengang im Bereich elektronisches Publizieren und digitale Märkte nach Verwirklichung. Eine spannende Zeit, in der ich meine in der Praxis erworbenen Kenntnisse theoretisch unterfüttern konnte. Eine Zeit, die ich besonders wegen der Arbeit mit den Studierenden nicht missen möchte.
Aber da! Plötzlich eine Chance, etwas Neues, etwas Anderes, etwas außerhalb der Buchbranche kennenzulernen. Und das in meinem Alter! Ich wechselte in die Welt des schnöden Lobbyismus, um mich in der Öffentlichkeitsarbeit eines Verbandes zu versuchen. Energiepolitik und Emissionshandel sollten künftig meine Themen sein. Jetzt aufgepasst: Wer glaubt, dass Börsenverein, Verlage und Co. ein einziger konservativer Haufen seien, sollte sich nur einmal in eine Energie-Ausschusssitzung des Hauses der Bayerischen Wirtschaft setzen. Kurz und gut: Mein Ausflug in die Verbandswelt war von kurzer Dauer. Mir fehlte mein Netzwerk, mir fehlten die üblichen Verdächtigen, die man jedes Jahr wieder in Frankfurt und Leipzig trifft, mir fehlte die Arbeit im Verlag.
Zunächst folgte eine Weiterbildung zum Presse- und Öffentlichkeitsreferenten an der Journalistenakademie München – mit einer Truppe, die es verstand, mein lädiertes Selbstbewusstsein wieder aufzubauen. (Dankeschön an dieser Stelle an mein großartiges Team und die Mannschaft der Journalistenakademie! Sorry Leute, aber so viel Zeit muss sein).
Dann – nach viel zu langer Abstinenz – das Comeback in der Verlagswelt! Der Riese Elsevier ruft und ich folge dem Ruf. Aktuell befinde ich mich in der dritten Woche als Content Manager im Team Content Clinical Solutions. Ja genau, willkommen in einem internationalen Unternehmen! Englisches Neudeutsch gehört hier zum guten Ton. Ich habe mich immer gefragt: „Konzern. Kann ich das?“ Bis jetzt kann ich fröhlichen Gemüts sagen: „Ja, das kann ich!“ Spannende Aufgaben und Projekte, entspannte Atmosphäre und Kollegen, intensive Einarbeitungsphase mit einem Mentor, volle Integration und Anerkennung durch einen tollen Chef. Was will man mehr? Ich habe das Gefühl, dass meine Expertise gefragt ist und dass man mir aufmerksam zuhört. Für jetzt, so scheint es, bin ich angekommen.

Fazit: Bleibt offen für Neues, verschließt Euch vor nichts, nehmt auch schlechte Erfahrungen an und lernt daraus und vor allem: Netzwerkt und kommuniziert miteinander! So profitieren und lernen wir alle voneinander. Frei nach dem Motto des Elsevier Verlags: Non solus!

André Pleintinger hat Germanistik, Politikwissenschaft, Indogermanische Sprachwissenschaft und Business Communication studiert. Er begann seine berufliche Karriere als Volontär beim Martin Meidenbauer Verlag, arbeitete als Online-Redakteur einer Fitness-Community, als Lektor und Hersteller und Programmleiter bei Meidenbauer sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Buchwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg. Nach einem Ausflug als Referent für Energiepolitik in die Öffentlichkeitsarbeit eines Verbands kehrte er in die geliebte Verlagsbranche zurück. Er arbeitet heute als Content Strategist beim STM-Verlag Elsevier in München.

Keine Kompromisse [Metamorphosen]

Unsere Reihe Metamorphosen behandelt Lebens(abschnitts-)wege, die nicht ganz linear verlaufen. Quer-Ein/Aus/Um-Steiger (vor allem aus der Medienbranche) zeigen, dass es spannender geht als vierzig Jahre dasselbe zu machen.

farbe.191493.jpg.244192Heute stelle ich selber PraktikantInnen und WerkstudentInnen mit ein. Das sind, da ich mittlerweile von der Buchbranche in die Marktforschung gewechselt habe, häufig auch WirtschaftswissenschaftlerInnen. Der Unterschied zu meinen eigenen Erfahrungen als Buchwissenschaftlerin sind ganz klar die Gehaltsverhandlungen. Ein sechsmonatiges Praktikum für lau? Eine schlecht bezahlte Aushilfsstelle aus idealistischen Gründen? Dann könnten wir unsere Charts ganz schnell wieder selber klopfen. Zu diesen Bedingungen, die für die Buchbranche ja so selbstverständlich sind, müssten wir lange nach einer fähigen Aushilfe suchen.

Der Punkt, der mich daran immer gestört hat, ist nicht die schlechte oder nicht existente Bezahlung an sich, obwohl es weiß Gott nicht einfach ist, als Student von 160 Euro Kindergeld im Monat zu leben. Der Punkt ist die Wertschätzung, die man als Arbeitgeber seinen Mitarbeitern durch eine zumindest angemessene Bezahlung entgegenbringt. Dieses Gefühl der Wertschätzung und des Vertrauens, Aufgaben auch selbstständig zu erledigen, trägt für mich persönlich einen wichtigen Teil zur Zufriedenheit mit meiner Arbeit bei. Dieses Gefühl hatte ich bei meinem Job in einer Fachbuchhandlung neben dem Studium und genau diesen Anspruch wollte ich auch an meinen Vollzeitjob stellen.

Ich bereue es nicht, Buchwissenschaft oder Geisteswissenschaften an sich studiert zu haben. Im Gegenteil! Man lernt fürs Leben, das war schon immer mein Ansatz, und ich glaube, dass mir viele Soft und auch einige Hard Skills, die ich mir während meines Studiums angeeignet habe, auch heute noch sehr hilfreich sind. Bei meinem jetzigen Job bin ich zum Beispiel eine gefragte Ansprechpartnerin, was die Endabnahme aller Art von Schriftstücken anbelangt. Mein Studium hat mich eben auch den Blick fürs Detail gelehrt.

In meiner Zeit als Volontärin bei einem internationalen Sachbuchverlag konnte ich mir ebenfalls einige Fähigkeiten aneignen, die ich auch heute noch täglich anwende. Allerdings beschränken sich diese Fähigkeiten auf das Stichwort Bürokommunikation. Und Excel-Tabellen zu formatieren und Serienbriefe zu schreiben − das hätte ich wohl auch in jedem anderen Bürojob lernen können.

Damit wir uns nicht falsch verstehen, mein Herz hängt immer noch an der Buchbranche, aber ich genieße mittlerweile den Blickwinkel einer Außenstehenden. Persönlich bin ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung, die Branche gewechselt zu haben, auch wenn ich an meine zahlreichen Studienfreunde denke, die mit um die 30 immer noch Fernbeziehungen führen und ständig Kompromisse eingehen müssen. Ich bin einfach nicht der Typ für Kompromisse.

Simone Klebes hat Buchwissenschaft, Anglistik und Spanisch in Erlangen studiert. Nach einem einjährigen Volontariat bei einem internationalen Sachbuchverlag und einem kurzen Abstecher in die Spielwarenbranche hat sie eigentlich nur das Medium gewechselt − vom Buch zum Radio. Sie arbeitet heute bei einem international tätigen Marktforschungs- und Beratungsunternehmen mit Spezialisierung auf die Radiobranche.

Der Sprung ins kalte Wasser. Mein Abschied von der Buchbranche [Metamorphosen]

Unsere Reihe Metamorphosen behandelt Lebens(abschnitts-)wege, die nicht ganz linear verlaufen. Quer-Ein/Aus/Um-Steiger (vor allem aus der Medienbranche) zeigen, dass es spannender geht als vierzig Jahre dasselbe zu machen.

Anja Kujasch
Anja Kujasch

„Wenn Sie hier sind, nur weil Sie Bücher lieben, sind Sie definitiv falsch“, erklärte die Professorin in der Einführungsveranstaltung mit einem strengen Blick über ihren Brillenrand. Buchwissenschaft war das Fach meiner Wahl. Ganz pragmatisch hatte ich Wirtschaftswissenschaften als zweites Hauptfach gewählt. Schließlich kann ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge auch nach dem Uniabschluss hilfreich sein. Natürlich saß ich vor allem in diesem Saal und in dieser neuen Stadt, weil ich Bücher liebte. Weil sie mir schon in meiner Kindheit ein Tor in die Welt eröffnet haben. Weil sie die Neugier stillen und gleichzeitig tausend neue Fragen aufwerfen. Deshalb wählte ich dieses Studienfach. Als Arbeiterkind aufgewachsen, hatte ich eine wage Idee, dass es noch mehr zu wissen geben könnte. Ich ließ mich nicht beirren.

Die ersten Semester mit Nebenjob und Ach und Krach über die Runden gebracht, war es Zeit für die ersten praktischen Erfahrungen in der Branche. „Generation Praktikum“ nannten uns die Journalisten in den Medien und das nicht ohne Grund. Die Buchverlage rechneten fest mit den oftmals kostenlosen Arbeitskräften. Beim Kopieren, Faxen und Summen ziehen in Excel wurde schnell klar, dass die Arbeitswelt in der Buchbranche nicht unbedingt den bunten Reichtum der Bücherwelt im Generellen widerspiegelt. Ist es also egal, was man verkauft? Bücher oder Betriebssysteme? Große Literatur oder schnelllebige Programme? Das nächste unbezahlte Praktikum bei einem renommierten Buchverlag wollte ich mir nicht leisten. Die BAföG-Förderung erlaubte keine großen Sprünge. Und ein halbes Jahr für lau zu arbeiten wäre definitiv einer. Zudem kein schlauer, wie sich beim bezahlten IT-Praktikum schnell herausstellte. Ins kalte Wasser geworfen, lernte ich rasch schwimmen. Eigenverantwortliches Arbeiten und stetig neue Herausforderungen sind noch immer die wesentlichen Komponenten, die ein guter Job meiner Ansicht nach für mich mitbringen muss. Der Gedanke, dass die Möglichkeit, die Buchbranche zu verlassen, überhaupt besteht, war damit gesät.

Mit dem Magisterabschluss in der Tasche, gab ich dem originären Vorhaben „irgendwas mit Büchern zu machen“ noch eine Chance. Anders als in anderen Branchen gibt es in der Buchbranche ein ungeschriebenes Gesetz: Ein Universitätsabschluss befähigt nicht dazu, in einem Buchverlag zu arbeiten. Auch nicht einer in Buchwissenschaft. Anders als sogenannte Volunteers im freiwilligen Auslandsdienst starten Absolventen, die es in die Buchbranche zieht, obligatorisch als Volontäre. Das geringe Startgehalt wird erfahrungsgemäß auch später kaum steigen. Schließlich ist oft statt dem ersten erhofften Karrieresprung lediglich eine kurze Elternzeitvertretung drin.

Doch es geht nicht nur ums Geld, solange es für Miete und Strom reicht. Es geht vor allem um Entwicklungsmöglichkeiten und die Verwirklichung von Ideen. Selbst Geduldige werden nervös, wenn die Branche, wie es vor wenigen Jahren noch der Fall war, ihr Mantra vom guten alten gedruckten Buch predigt und Konzepte für Erlebnisbuchhandlungen vorlegt, während  der Kampf mit Amazon & Co. um Marktanteile am deutschen Buchmarkt längst entbrannt ist. Die rasante digitale Entwicklung der letzten Jahre liest sich wie ein guter Krimi. Immer neue technologische Möglichkeiten bieten immer neue Betrachtungsweisen und verlangen entsprechende Handlungsempfehlungen. Nicht zuletzt bieten sie vielfältige, anspruchsvolle Jobmöglichkeiten. Ich liebe Bücher nach wie vor. Gerne auch in digitaler Form. Die digitale Mediaplanung, mit der ich mich mittlerweile befasse, ist ein sich rasch wandelnder Bereich des Online-Marketings. Das Ziel ist es, die potenziellen Kunden mit einer effizienten Kombination der verschiedenen Werbekanäle für eine Marke oder ein Produkt zu begeistern statt mit schlechten Werbeanzeigen zu nerven. War es rückblickend richtig, die Branche zu wechseln? Für mich auf jeden Fall, schließlich spring ich lieber ins kalte Wasser als weiter Trockenübungen an Land zu machen.

Anja Kujasch ist Digitalplanerin bei einer weltweit agierenden Mediaagentur. Nach ihrem Studim der Wirtschaftswisschenschaften und Buchwissenschaft absolvierte sie ein Marketing-Volontariat bei einem rennomieren Ratgeberbuchverlag. Danach wechselte sie in eine Online-Marketing-Agentur. Sie ist verheiratet und wenn sie in ihrer Freizeit nicht gerade liest, gerne mit dem Mountain Bike unterwegs. [Xing]